Wenn Marabu erzählen könnte …

Aus einem dunklen Kapitel der deutschen Geschichte heraus ist X10 damals entstanden. Nach und nach hatten die Seefahrtskreuzer – als durch die Germanische Lloyd seetauglich vermessenen Yachten – die damals auf deutschen Gewässern verbreiteten nationalen Kreuzer verdrängt. Auch sie wurden in verschiedenen kleinen und grossen Varianten gebaut und abhängig von der Segelfläche in Klassen zusammengefasst. Die Luftwaffe bestellte mehrere 100m² Seefahrtskreuzer bei Abeking & Rassmussen in Lemwerder bei Bremen. Zur Kriegsvorbereitung im 3. Reich sollten darauf die Piloten in der Navigation geschult werden.

X10 MARABU war eine von ihnen – 1935 bei Abeking & Rasmussen in Lemwerder gebaut und durch Henry „Jimmy“ Rasmussen selbst konstruiert – wie ihre „Artgenossen“ beim Reichsheer mit „luftigem“ Namen wie IBIS, STORCH, PELIKAN u.s.w.. Nach Kriegsbeginn war es dann wohl nicht mehr weit her mit der Pilotenausbildung und die ästhetischen Yachten dienten wohl eher als schwimmende Erholungsheime für Offiziere im Fronturlaub.

 1945 übernahmen die Alliierten viele Seefahrtskreuzer in unterschiedlichen Ausführungen als Reparationszahlungen. In England wurden diese Schiffe als „Windfalls“ bekannt und sofort begeistert in die bestehende Flotte der Segelyachten integriert. MARABU wurde zusammen mit der WAL der British Royal Navy zugeschlagen. Im Coastal Forces Sailing Club (HMS Hornet in Gosport/Portsmoth UK) gelangte sie zu Regattaruhm, war 1952 die erste „Windfall“, die den Atlantik überquerte. Auf der drei Wochen dauernden Regatta (Transatlangic Race) von Bermuda über Neufundland zurück nach Plymoth UK wurde sie um nur 4 Stunden von der damals berüchtigten Yacht CARIBEE geschlagen.

Nach erfolgreichen Regattateilnahmen, darunter als 2. ihrer Klasse im Round the Island Race 1947, acht Fastnet Races zwischen 1951 – 1965 (1. Klassenrang 1955), sowie dem ersten Tallship Race 1956 als Teilnehmer der Royal Navy wurde sie 1977 verkauft – wahrscheinlich bereits damals schon an eine private Eignergemeinschaft.

In den 50er Jahren wurde kräftig umgebaut: 1950/51 wurde das Vorstag nach vorne versetzt um grössere Vorsegel/Genuas nutzen zu können und ein Deckshaus gebaut. Die Reise über den Atlantik sollte so komfortabel wie möglich werden. Die Pinnensteuerung wurde 1952/53 durch eine Radsteuerung ersetzt und mit einem zusätzlichen Besanmast erfolgte die Umtakelung von der Sloop zur Ketsch.

Zwei Quellen zufolge war MARABU in den 50er Jahren noch ohne Motor unterwegs, wann dieser eingebaut wurde ist derzeit fraglich. Um das Schiff mit einer Verdrängung von ca. 17 Tonnen im Hafen aufzustoppen, wurden an den Seiten Eimer an lange Seilen zu Wasser gelassen und als Treibanker benutzt.

Nach ihrer Zeit bei der Royal Navy war sie über die Wintermonate in Brighton UK im nach ihr benannten MARABU SAILING CLUB stationiert und wurde weiterhin aktiv bei Regatten gesegelt.

1982 gewann sie das Royal Escape Race in dem sie bis 2004 zwanzig Mal regattierte. Im letzten Rennen überquerte sie die Ziellinie mit einer Fahrt von 9,5 kn. Die 67 sm über den Kanal von Brighton nach Fécamp in Frankreich legte sie in 10:36 Stunden zurück. Bis zum Schluss besegelte sie in ihrem Club, sowohl als Ausbildungsschiff der Royal Yacht Association als auch im Rahmen geführter Urlaubstörns, die Gewässer rund um Grossbritannien bis hin zur Biskaya und nach Lissabon. 2005 löste sich das Syndikat rund um die MARABU auf, vermutlich auch auf Grund des Sanierungsstaus der das Budget des Clubs wohl gesprengt hätte.

Nach 4 Jahren an Land war sie beim Kauf durch Josef Martin nicht mehr schwimmfähig.

 

MARABU X10

Baujahr

1935

Baunummer

2929

Bauwerft

Abeking und Rasmussen, Lemwerder

Länge üA

ca. 17,40 Meter

Länge WL

ca. 11,60 Meter

Grösste Breite

ca. 3,46 Meter

Grösster Tiefgang

ca. 2,20 Meter

Verdrängung

ca. 17 Tonnen

Takelung

zunächst Sloop, ab 1953 Ketsch

Rumpf

Mahagoni auf Eiche

 

Die Bilder oben zeigen die MARABU in den 50er Jahren

Quelle:

RNVR Yacht Club

THE NEWS, Portsmoth