Rumpfgeschwindikgkeit – Dezember 2021
«Ich versuche jedes Mal etwas anders zu schreiben»… Mit beeindruckender Geschwindigkeit sind die Arbeiten am Rumpf der MARABU in den letzten Wochen vorangegangen.
Mittlerweile fehlen nur noch wenige Plankengänge unterhalb der Deckslinie. Um so zügig voranzukommen, greifen die Bootsbauer gerne auf alte Handwerkstechniken zurück. Deshalb gibt Axel sich heute alle Mühe mir die Funktionsweise des «Ree» zu erklären.
Eine rechtwinklige Schablone in Plankenhöhe aus biegsamem Sperrholz wird oberhalb der letzten, neu eingebauten Planke mit leichtem Druck an die Spanten angelegt. Die durch die Rumpfbiegung entstehenden Abstände zwischen Plankenoberkante und Ree-Unterkante werden auf Spantenhöhe ausgemessen und auf die Schablone übertragen – in variantenreicher Handschrift, damit nicht für jede «Massnahme» ein neues Ree gefertigt werden muss.
A propos Schrift – wie schreibt man «Ree» eigentlich? Um diese Frage zu beantworten, muss Josef Martin im Büro seine alten Bücher durchstöbern – in der 1964er Ausgabe «Vom Bug zum Heck» von Curt Eichler wird er schliesslich fündig: mit «Doppel-e» *.
Im nächsten Schritt wird die Schablone auf eine sorgfältig ausgewählte Holzbohle gelegt, mit Gewichten vor dem Verrutschen gesichert und mithilfe der Abstandsmasse sowie einer Straklatte eine bogenförmige Linie auf das Mahagoni übertragen. Nach dem Anzeichnen einer parallel verlaufenden Linie im Abstand der Plankenhöhe nutzt Bootsbaumeister Axel nun die Handkreissäge, um den leicht bogenförmigen Rohling der neuen Planke aus dem groben Holz zu sägen.
Theoretisch könnte zum Abnehmen der Abstände auch ein Zirkel – «Passer» genannt – benutzt werden: Dazu würde auf Höhe der Spanten deren Verlauf mittels einer Gerade auf das Ree gezeichnet, der Zirkel am unteren Punkt der Gerade auf den Abstand zwischen Ree-Unter- und Planken-Ober-Kante eingestellt und dann spiegelgleich auf Gerade abgetragen. Beim Übertragen auf das Plankenholz wird dann genau andersherum verfahren.
Axel arbeitet jedoch wie oben beschrieben und auf den Bildern zu sehen mit der Massskala eines Zollstocks.
Allein der Bogen reicht jedoch nicht aus, damit sich das Werkstück gut an den Rumpf anschmiegt. Ein Handhobel mit konvexem (nach aussen gewölbtem) Messer kommt zum Einsatz, um die Rundung der Spanten gleichmässig an der Innenseite einzuarbeiten.
Nach weiteren Anpassungsarbeiten direkt «vor Ort», wird die Planke dann mit vereinten Kräften auf die Spanten und den unterhalb liegenden Plankengang geleimt. Die schnell angesetzten unzähligen Schraubzwingen und Spannvorrichtungen zwischen altem und neuem Holz halten alles bündig an Ort und Stelle, bis der Epoxidharz vollständig ausgehärtet ist.
Manche Plankengänge im Unterwasserbereich sowie an Bug und Heck sind allerdings sehr verwunden. Früher hätte man mit annähernd passend gewachsenem Holz und dann gedämpftem Holz gearbeitet.
Da dieses heute kaum noch auf dem Markt ist, geht es formverleimt einfacher und vor allem mit höherer «Rumpf»-Geschwindigkeit!
* Eichler, Curt. 1964. Vom Bug zum Heck. Klasing & Co, Bielefeld, 1. Januar 1964