Glänzend – April 2024

Es hat sich etwas Entscheidendes verändert seit meinem letzten Besuch im Oktober. Nach Jahren des Brechens, Hämmerns und Sägens liegt wenige Wochen vor dem Stapellauf eine beinahe andächtige Ruhe über der MARABU. Deck und Cockpit wirken aufgeräumt ohne die sonst üblichen Werkzeuge. An dem hochglänzend lackierten, mit einer goldenen Ziergöhl veredelten Rumpf spiegeln sich Werkstatteinrichtung und Holzreste.

 

Das Betreten der majestätisch anmutenden Yacht ist nur noch auf Strümpfen erlaubt. Die Bootsbauer bewegen sich achtsam und bedächtig als würden sie beim Anschrauben der letzten Beschläge eine Tai-Chi-Übung ausführen. Nichteimal das Surren eines Akkuschraubers durchbricht die Stille. Das Eindrehen der sichtbaren Schlitzschrauben ist Handarbeit.

 

So wie sich in den letzten Wochen die Atmosphäre rund um die MARABU verändert hat, gab es seit dem Bau der MARABU 1936 auch immer wieder grössere Anpassungen bei der Konstruktion und Ausstattung des 100er Seefahrtskreuzers. Was hat sich nun bei dieser umfassenden Restaurierung getan?

 

          MARABU ist nach dem Umbau zur Ketsch in den 1950er Jahren wieder als Sloop getakelt. Im Vergleich zum Originalzustand wurde jedoch der Mast etwas nach hinten versetzt. Dadurch verringert sich die Fläche des Grosssegels von 100 auf 75m² und die Segelfläche der Vorsegel wurde entsprechend vergrössert. Backstage sind nicht mehr notwendig, so dass MARABU mit einer kleineren Crew gesegelt werden kann.

          Das Steuerrad hat sich gegenüber der ursprünglichen Pinnensteuerung bewährt, und sorgt auch weiterhin für mehr Sicherheit vor allem bei raueren Bedingungen.

          Die offensichtlichste Veränderung ist der Wechsel von einer blauen Rumpflackierung zur naturbelassenen Holzoptik.

          Erstmals in den 1950er Jahren wurde ein Motor eingebaut. Der neue Motor hat nun 80 PS und versorgt auch das ebenfalls neue Bugstrahlruder mit der notwendigen Energie.

          In den Originalzustand zurückversetzt präsentieren sich die Kajütaufbauten erstmals seit 1952 wieder ohne Deckshaus.

          Gemäss ihrer ursprünglichen Bestimmung als Boot für die Navigationsausbildung angehender Piloten der Reichsluftwaffe war MARABU spartanisch eingerichtet. Mehrere 100er Seefahrtskreuzer dienten zeitgleich verschiedenen Mannschaften in Wechselschichten als Ausbildungsstätte und Schlaflager. Pantry, Salon und Waschraum suchte man damals vergebens, denn für Essen und Körperpflege war ein grösseres Begleitboot vorgesehen.

          Nun bietet sich im Schiffsinneren ein völlig anderes Bild. Die Segellast ist einer Doppelkoje gewichen, die Pantry ist voll ausgestattet und im Duschraum kann nicht nur geduscht, sondern auch mittels einer speziellen Heizungsanlage nasse Segelbekleidung wieder getrocknet werden.

          In sieben grossen Kojen und einer etwas verkürzten Koje (168cm) können die zukünftigen Segler auf MARABU von neuen Abenteuern träumen.

 

Nach nunmehr 20 langen Jahren an Land kann MARABU bestens gerüstet als seegängige Yacht sehr bald wieder an Wasser, Wellen und Wind übergeben werden.