Altes Eisen – September 2018

Jahrelange Schwerstarbeit im aufgewühlten Salzwasser des Atlantiks, Reisen durch die Biskaya nach Spanien, lange Schläge gen Westen bis Amerika oder St. Petersburg im Osten haben vor allem den Spanten im Rumpf der MARABU sehr zugesetzt. Dem alten Eisen – im Wechsel verbaut mit Eichenspanten – sind die Kampfspuren am deutlichsten anzusehen. Gegen die durchgerosteten Stabilisatoren wirken die ebenfalls mitgenommenen Bauteile aus Holz noch relativ solide.

Die Holzspanten werden möglichst erhalten oder teilweise ergänzt, der Stahl muss komplett ausgetauscht werden. Dabei ist die Wahl auf Robinie gefallen. Auch ohne chemische Schutzmittel resistent gegen Holzfäule und andere Plagegeister, biegsam, dicht und fest setzt sich das Holz immer mehr gegen die im Schiffsbau lange bevorzugte Eiche durch. Trotz aller Vorzüge ist bei der Verarbeitung Aufmerksamkeit und Erfahrung gefragt.

Bereits vor dem Auftrennen der Bohlen in Furnierlagen achtet Axel darauf, dass der Faserverlauf in Längsrichtung möglichst den Rundungen der Schablone folgt (siehe dazu den Artikel „Abwicklung). Splintholz und Wuchsstörungen z.B. durch Äste werden rigoros aussortiert. Beim Formverleimen der Lagen sorgt er konzentriert für ausreichende Benetzung der Oberfläche mit Epoxidharz. Dem Klebstoff beigemischte Baumwollfasern erhöhen die Festigkeit der Verbindung: Die hohe Holzdichte verzögert ein tieferes Eindringen des Leims. Mittels Faserzusatz wird das durch den Anpressdruck verursachte Herausquellen über die Seiten reduziert bevor das Harz abbinden und aushärten konnte.

Der 1936 im deutschen Mobilmachungs-Wahn bei A&R als Rüstungsbetrieb eingebaute Stahl muss nun Spant für Spant aus MARABU weichen. Wie auch andere 100er Seefahrtkreuzer für die Luftwaffe und damit als „Kriegsmaschine“ produziert, stellt sich mir schon länger die Frage nach dem Verwendungszweck.

„Was bist du für ein Vogel wenn Du nicht fliegen kannst“ fragt der kleine Vogel die Ente in Sergei Prokofievs „Peter und der Wolf“, worauf die Ente antwortet „Was bist Du für ein Vogel, wenn Du nicht schwimmen kannst?“ – so erscheint es mir bei den Segelschiffen der fliegenden Streitkräfte.

Um angehende Piloten besser in Navigation ausbilden zu können, ist ein gängiger und meist der offizielle Erklärungsansatz. Warum hätte man damals jedoch einen solchen Aufwand mit wartungsintensiven Holzsegelboten betreiben sollen, wenn weitaus schnellere maschinenbetriebene Schiffe für grössere Gruppen  als Ausbildungsfahrzeuge zur Verfügung standen?

Gerne wird auch davon erzählt, dass sich hochrangige Offiziere und Parteifunktionäre den Traum von Regatten und Freizeit auf dem Meer erfüllen wollten. Ersteres habe zur Finanzierung als Alibi herhalten müssen. So wird in den englischen Quellen MARABU mit Hermann Goering in Verbindung gebracht. Hinter diesem Ansatz könnte man eine PR-Aktion der Eigner vermuten, um den Wert der Schiffe beim Verkauf zu erhöhen.

Schlüssig erscheint jedoch der Einsatz dieser Schiffe für einen Bereich, der heute mit den Begriffen „Teambuilding“ und „Assessment“ assoziiert ist: Wo lassen sich – damals wie heute -Zusammenarbeit, Gruppendynamik sowie Führungsstärke und Belastbarkeit angehender Kaderkräfte besser testen als in Ausnahmesituationen unter „Lagerkoller“- und „Schietwetter“-Bedingungen ?